Samstag, 23. Juni 2012

Abschied von der besten Klasse der Welt

Es war so weit. Ich musste mich von meiner Norwegischen Klasse -der besten Klasse der Welt- verabschieden.

Gestern war der letzte Schultag und alle sin mit einem mulmigen Gefühl nach Hause gekommen und haben sich nur halbherzig verabschiedet, weil alle wussten, dass wir uns am Abend zur Vitnemålsutdeling (feierliche Zeugnisvergabe) wiedersehen würden. Ungewissheit lag in der Luft, niemand wusste was dieser bevorstehende Abschied in sich hat, wie man damit umgehen soll und die Gewissheit nie mehr in diese Schule zurückkommen zu können und sich stolz einen Engebråten Schüler nennen kann.

Als wir uns Abends vor der Schule versammelten, waren wir alle ein bisschen hin und her gerissen zwischen Freude dass wir alle nochmal zusammen sind oder Trauer weil das Zusammensein bald sein Ende hat. Zum Skolemarsj mit den anderen Schüler in die Aula reinmaschierend wurde mir bewusst, wie sehr ich zu einem richtigen Engebråten Schüler geworden bin - und wie unheimlich stolz ich drauf bin. Auf unseren Plätzen haben wir uns dann die Rede des Rektors, die Rede von zwei Schülern über die Lehrer, die Rede eines Lehrers über die Schüler angehört, Jenny und Selma haben wunderschön 'Hey there Delilah' gesungen, Ole Jakob (OJ) hat Gitarre gespielt und als unsere Lehrer uns ein Lied gesungen haben war das so rührend, dass den ersten schon ein paar Tränen über die Wangen liefen.

Danach haben alle Schüler ihr Abschlusszeugnis bekommen, wurden aufgerufen, beglückwünscht, gedrückt. Die Zeugnisvergabe war vorbei und niemand hatte es eilig aus der Aula rauszukommen - wozu verabschieden, wenn man es noch ein bisschen hinauszögern kann? Vor der schule hat sich meine Klasse versammelt und dass große Verabschieden fing an.
Das war das traurigste und herzzerreißendste was ich je erlebt habe - und ich weiß wovon ich spreche, ich habe 10 Monate weder meine Familie noch meine deutschen Freunde gesehen. Vor allem war mir bis vor kurzer Zeit gar nicht klar welch unglaubliches Glück ich mit meiner Klasse hatte. Besonders am Anfang war ich ziemlich unsicher und wusste nicht woran ich bin, ob die Freundschaften echt sind und so weiter. Das mit den Freundschaften hat sich für mich allerspätestens an meinem Geburtstag geklärt und in letzter Zeit habe ich auch gemerkt wie gerne mich die anderen alle haben, und wie lieb ich sie habe. Als ich gestern auf die Straßenbahn gewartet habe, kam Adrian vorbei und wir haben uns unterhalten. Er hat mich gefragt ob ich schon traurig bin und vor dem Abschied Angst habe und hat gesagt dass die ganze Klasse traurig ist dass ich wieder nach Deutschland fahre und dass alle mich sehr lieb gewonnen haben. Das kam einfach so überraschend und ehrlich von ihm, dass mich das sehr gerührt hat. der Abschied von meiner Klasse war also ganz besonders schrecklich, gar nicht mal von meinen guten Freunden, weil ich weiß dass ich sie wiedersehen werde, sondern von denen die man unglaublich lieb gewonnen hat, aber man diejenigen eher nicht mehr so schnell wiedersieht. Wir lagen uns alle in weinend in den Armen, haben uns ein viel Glück für unser weiteres Leben gewünscht und uns versprochen uns wiederzusehen. Selbst die 'coolen' Jungs haben geweint, wir mochten unsere Klasse einfach unglaublich gern.

Heute wollte ich den ganzen Vormittag packen, nachmittags was mit meinen Eltern unternehmen und Abends mit allen zusammen essen gehen. Wollte. Doch dann kam alles ganz anders.
Ich war schon seit zwei guten Stunden beim Packen (was sich übrigens als viel mehr Arbeit herausgestellt hat als ich dachte), als meine Gastschwester ins Zimmer kam und meinte dass draußen eine Frau stehen würde die mit mir sprechen möchte. Ich hab irgendwie ein bisschen Angst bekommen, oder war auf jeden Fall ziemlich nervös als ich - noch halb im Schlafi-  runter an die Tür gegangen bin. Da stand Julies Mutter die meinte ich müsste mir schnell etwas anziehen und meinen Eltern Bescheid sagen, denn sie müsste mich entführen. Ich hab mir schnell was übergeworfen und bin dann mit ihr raus. Bevor ich mit einem roten Schal die Augen verbunden bekam, konnte ich noch sehen dass das Auto mit Norwegischen Flaggen verziert war. Nach ein paar Minuten durfte ich aussteigen und den Schal abnehmen. Vor mir stand ein schwarzes Pferd, auf dem Julie saß. Ich hab nen Helm bekommen und schon gings hinter Julie rauf aufs Pferd. Wir sind ein paar Minuten einen kleinen weg langgeritten und dann von hinten in das Wohngebiet gekommen, in dem Julie wohnt. Als ich vor Julies Haus abgestiegen bin, kamen ein paar Mädels mit Norwegischen Fahnen aus der Garage gestürmt und haben 'Überraschungsparty!!!' gerufen. Nachdem ich auf dem Pferd saß hab ich natürlich schon geahnt dass das sowas in die richtung wird, aber es war auf hjeden fall eine richtig liebe Überraschung und wir hatten nochmal einen schönen Nachmittag zusammen. Ich durfte auch die ganze Zeit Julies Bunad - die Nationaltracht- anhaben, was eine wirklich große Ehre war. Wir haben zusammen gegessen, geredet, gelacht, Fotos gemacht und ich habe ein paar liebe Abschiedsgeschenke bekommen.
Als wir uns verabschiedet haben, war das komischerweise fast überhaupt nicht traurig. Das traurige war halt irgendwie schon gestern, wenn man sich einmal darauf eingestellt hat sich verabschiedet zu haben, dann ist das irgendwie abgeschlossen. Wir sind alo ohne Tränen auseinandergegangen, mit dem festen Versprechen uns bald zu sehen.







Mein Zeitplan war dadurch ja echt nicht mehr zu gebrauchen - aber das war die Überraschungsfeier wohl wirklich wert! Ich habe zu Ende gepackt, alles auf- und weggeräumt oder weggeschmissen.
Ich bin gerade von dem Essen mit meinen beiden Familien, Norwegisch und Deutsch, wiedergekommen. Es war ein sehr schöner Abend und ich habe als Abschiedsgeschenkt eingerahmte Fotos von mir mit meiner Gastfamilie bekommen.

Mein Zimmer ist leer, die Wand über meinem Bett, die sonst voller bunter Postkarten und Erinnerungen war, ist kahl. Auch wenn ich noch eine Woche mit meinen Eltern in Norwegen reise, ist morgen Abschied von Oslo und meiner Gastfamilie angesagt und meine Zeit als Austauschschüler ist vorbei. Es war eine schöne Zeit voller unglaublicher Erlebnisse und tollen Menschen, die ich nie vergessen werde.
Ich werde sicherlich noch einmal schreiben wenn ich in Deutschland angekommen bin, aber auf jeden Fall schon mal Danke an alle die sich die Mühe gemacht haben meine endlos langen berichte zu lesen und sogar dann und wann Kommentare zu schreiben. Ich bin es leid zu bloggen, aber ich werde es auch sehr vermissen. So ist das halt im Leben.

Tusen takk til alle dere som har gjort utvekslingen min til en kjempe opplevelse, som jeg aldri kommer til å glemme. Jeg er utrolig glad i dere og gleder meg til å se dere igjen snart!


Hilsen,
Henriette 


3 Kommentare:

  1. Hei Henriette,
    ich bin durch Zufall auf deinen Blog gestossen und er gefällt mir wirklich super gut! Ich fahre selbst in einem Monat für ein Jahr nach Norwegen und je näher das alles rückt, desto mulmiger wird mir, aber wenn ich deine ganzen Einträge hier lese freue ich mich so, das auch alles zu sehen! :)
    Also, ha det bra!
    Isabella

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  2. Oh man, und was mir gerade auffällt, das muss ich jetzt noch sagen, du siehst deinen Gastschwestern so ähnlich, du könntest echt mit ihnen verwandt sein!!

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  3. Hei hei! :)
    Ich wünsche dir viel Spaß in Norwegen, genieß deine zeit, es geht viel zu schnell um! ;)
    & wenn du dann zwischendurch noch irgendwelche Fragen hast, raus damit!

    (Ohje, ich hoffe du siehst das hier überhaupt, ich hab mir ja reichlich Zeit gelassen mit dem Antworten...)

    Henriette

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